Große Pause
Große Pause
Die Kinder bahnen sich ihren Weg zum Lounge Bereich der Mensa. Moderne Bistrotische und Sitzbänke lassen nicht sofort darauf schließen, dass man sich in mitten in einer Gesamtschule befindet. Beim Betrachten der Ausstattung, fallen sofort Parallelen zu einem Café eines Fastfoods Restaurant auf. Ein gemütlicher Rückzugsbereich bietet Raum zum Chillen. Dennoch fehlt der charakteristische Fritten- und Burger Geruch. Von Fett triefende Frikadellen sucht man hier eher vergebens. Die gefüllten Teller verraten: hier gibt es etwas mit Nährwert. Frische Komponenten, gespickt mit bunter Rohkost von der Salatbar. Das Gemüse knackt, wenn die Kinder beherzt hineinbeißen. Die Menus liefern einen richtigen Energieschub. Ein Blick in die Kindergesichter zeigt- sie haben es ziemlich nötig. Gut, dass es Lehrer wie Alina T. Meyer gibt. Als Vorsitzende des Mensabeirats an der IGS Friesland Nord hat sie ein Gespür für die Bedürfnisse der Schüler. Sie wird beim Gang durch die Mensa von allen freudig begrüßt. Klar, denn auch ihr ist dieser modere Umbau zu verdanken. An einem bodentiefen Fenster bleibt sie stehen und schaut hinaus. Zu sehen ist auf dem Außenbereich nicht wirklich viel. Eine grüne Wiese, ein paar Tische und Stühle aus Holz und jede Menge Sträucher.
Zuvor offenbarte eine Studie im Auftrag des Ministeriums, dass sich im Bereich Schulessen noch einiges ändern muss. So sind in der Hälfte der Speisen zu wenig Gemüse und zu viel Fleisch enthalten. Bis zum heutigen Tag wurde viel diskutiert. Eltern, Einrichtungen und Politiker versuchten gemeinsam mit Caterern auf einen Nenner zu gelangen. Dennoch ist die Situation noch heute in einigen Regionen verbesserungswürdig. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat konkrete Qualitätsstandards für Schulessen aufgestellt. Diese sind jedoch nicht bindend.
Bundesernährungsminister Schmidt ist der Meinung, dass gesunde Ernährung nicht teuer sein muss. Doch liefern sich die verschiedenen Catering Unternehmen einen Preiskampf.
In Berlin reagieren die Caterer schon auf die aktuelle Situation. Da zum 1. Januar die Mindestlöhne angehoben werden, muss diese Mehrbelastung ausgeglichen werden. Gemeinsam haben sie ihre Preiserhöhungen an die Bezirke versandt. Dies teilte der Verbandssprecher Rolf Hoppe mit. Die Preise für ein Essen sollen um 10 Cent auf 3.35 Euro steigen.
Die IGS Schortens nimmt sich ebenfalls der notwendigen Optimierung der Schulverpflegung an
Der Mensa- Umbau vor den Sommerferien 2016 ermöglichte eine Umstrukturierung des gesamten Konzepts. Zuvor wurde das Essen warm angeliefert und verteilt. Die Küche war viel zu klein, um einzelne Komponenten frisch zuzubereiten. Die geräumig umgebaute Wirkungsstätte von Koch Mario Theiß, der von den Caterer zusätzlich eingestellt wurde, bietet ausreichend Potenzial. Nun können mit dem Cook and Chill Verfahren die Menus vor Ort zubereitet werden. Nudeln und Kartoffel werden generell frisch gekocht.
Bei dem allgemeinen Optimierungsprozess wird die IGS Friesland Nord tatkräftig von der Verbraucherzentrale unterstützt. Mit dem Angebot “Schule auf EssKurs“ steht sie niedersächsische Schulen motivierend so wie auch aktiv zur Seite. Seit 2007 wird die Maßnahme durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützt. Der “Qualitätsstandard für die Schulverpflegung“ bietet hierbei einen Maßstab.
Schule auf EssKurs
Frau Sandy Rose von der Verbraucherzentrale Niedersachsen ist Ansprechpartnerin für den Bereich Oldenburg. In einem Interview bietet sie Einblicke in das Projekt “Schule auf EssKurs”
Wie wird der „Esskurs“ von den Schulen angenommen?
Die Schulen reagieren sehr positiv, da sie nicht in Konkurrenz untereinander stehen. Es ist keine Wettbewerbssituation. Nach erfolgreicher Teilnahme erhalten sie eine Auszeichnung. Die Ziele werden individuell nach den gegebenen Voraussetzungen festgelegt. Anschließend ermittelt die Einrichtung, auf welchem Weg diese umgesetzt werden können. Im Laufe der Zeit entstehen so immer wieder neue Ideen. Der Optimierungsprozess ist mit einem großen Aufwand verbunden, sodass die Teilnehmer auch ein oder mehrere Jahre aussetzen können. Dies nehmen auch einige Schulen wahr.
Wie sieht die langfristige Umsetzung aus? Möchten sie die momentane Strategie beibehalten oder gibt es weitere Ideen?
Mittlerweile befinden wir uns in der zehnten Runde. Die Maßnahme „Schule auf Esskurs“ wird fortbestehen. Wir möchten weiterhin die Schulen im Bereich Mittagsverpflegung unterstützen. Die Grundvoraussetzungen sind jedoch sehr unterschiedlich. Beispielsweise verfügt nicht jeder Teilnehmer über eine eigene Küche. Deshalb wird nun auch der Bereich Pausenverpflegung einbezogen. Dadurch können wir mehr Schulen erreichen. In einigen Einrichtung werden Schülerfirmen betrieben. Das kann beispielsweise ein Kiosk sein, den die Schüler in den Pausen selbst betreiben. Hier spielt unter anderem das Thema Lebensmittelverpackung eine Rolle. Die Kinder erlernen, wie eine umweltbewusste Versorgung funktioniert.
Wir arbeiten nach dem SMART Prinzip, das bedeutet für uns, Erfolge sollen vor allem realistisch und messbar sein. Bei uns kommt noch die Nachhaltigkeit hinzu. Projekte sollen auf lange Sicht umsetzbar sein. Das erfordert ein Umdenken. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Schulen auf dem Land haben andere Rahmenbedingungen als die in der Stadt. Damit ist es also ein Unterschied, ob sich die Einrichtung in Emden oder Aurich befindet. Davon hängt ab, wie die Optimierungsvorhaben angenommen werden.
Wie sehen Ihre Erfahrungen mit IGS Friesland Nord aus?
Die IGS Friesland Nord hat bereits ihren ersten Stern erreicht. Sie sind sehr engagiert und verstehen es, medienwirksam auf das Projekt aufmerksam zu machen. Dadurch erfahren auch einige weitere Eltern und Einrichtungen von dem “EssKurs“.
Das allerwichtigste ist: Dem Mensch, der das Essen ist, muss es einfach schmecken. Das ist gut für die Seele.
“Meine persönliche Erfahrung und Meinung ist, dass das Essen auch etwas mit unseren Genen zu tun hat.
Manchmal verteufelt man auch sofort das Essen. Unser Körper sagt uns jedoch, was für uns gut ist. Wenn sie irgendetwas nicht gerne essen, dann lassen sie es. Das könnte bei ihnen irgendwann mal eine Allergie auslösen. Es gibt bestimmte Dinge, die wir gerne essen und sie dennoch eine Allergie bei uns auslösen. Leider neigen wir manchmal einfach genetisch dazu. Wenn ich zum Beispiel an Sushi denke, dann schüttelt es mich. Mein Kopf sagt: „Das ist nichts für mich!“
Ausgewogene Ernährung ist ein beliebtes Schlagwort. Wie gesagt, wenn ein Kind keinen Broccoli mag, dann würde ich es auch nicht dazu zwingen- auch meine eigenen nicht. Das bringt doch nichts. Als Mikrobiologe ist mir die Hygiene am wichtigsten. Ebenso wichtig ist, dass die Kinder nichts Verdorbenes zu sich nehmen. In der kompletten Ernährung sollte so wenig wie möglich Zucker und Konservierungsstoffe enthalten sein. Das sind aus meiner Sicht die wichtigeren Faktoren. Die Frage ob Nudeln oder doch Kartoffeln, ist ein Luxus, den sich kein Mensch in Afrika leisten kann. An sich ist beides gut. Nudeln enthalten zusätzlich noch Eier und Mehl. Die Proteine in den Eiern sind sehr gesund. Kartoffeln enthalten nur Stärke. Beides benötigen Kinder für ihr Wachstum.
Natürlich ist Abwechslung in der Ernährung dennoch wichtig. Verschiedene Sorten an Gemüse, Fleisch, Kartoffeln oder Nudeln. Aber man sollte nicht versuchen, mit einer Kelle industriell hergestellter Soße alles zu überdecken, was nicht gut schmeckt. Als Kind habe ich gerne gegessen. Ich koche gerne und kenne meine Kinder.”
Damit die neue Mensa der IGS in Schortens von den Schülern auch ausgiebig genutzt wird, haben sich die Verantwortlichen eine Strategie einfallen lassen. Die Klassenleitung begleitet die gemeinsamen Malzeiten. Sie unterstützt die Kinder dabei, eine Esskultur zu entwickeln. So werden sie zum Beispiel angeregt, alle Speisen zu probieren. ”Das mag ich nicht”, kann man dann immer noch sagen. Der Fokus wird auf gesundes Essen gelenkt. Die Schüler werden dazu animiert, sich auch etwas an der Salatbar zu nehmen.
Der Wert und die Herkunft der Lebensmittel spielt ebenfalls eine große Rolle. Immer wieder finden Aktionen statt, bei denen die Kinder mit der Herkunf der Nahrungsmittel konfrontiert werden. So fand beispielsweise am 16.11.2016 die Aktion “Küchen der Welt” statt. Die Kinder durften hier mediterranes Essen selbst herstellen.
Die Teilnahme am Mittagessen ist ab der 7. Klasse nicht mehr verpflichtend. Damit das Angebot dennoch wahrgenommen wird, kommt auch hier eine Strategie zum Wirken: Die Kinder gewöhnen sich schon so früh wie möglich an das gemeinsame Essen, das angenehm im Klassenverband gestaltet wird. Alle sitzen zusammen. Es herrscht keine Kantinenatmosphäre. Die einzelnen Komponenten stehen auf dem Tisch. Dadurch entsteht ein gemütliches Beisammensein. Selbstverständlich ist der Bereich für die fünften bis siebten Klassen etwas anders eingerichtet. Die Kinder durften diesen Bereich nach ihren Vorstellungen gestalten lassen. Klar, dass dort alles etwas jugendlicher und cooler aussieht. Dieser Lounge Bereich ist mit modernen Möbeln gestattet worden. Sie sollen hier gerne hinkommen.
Aber das ist nicht der einzige “Trick”, mit dem die Mensa attraktiver als der Dönerladen werden soll. Nur nach und nach wurden ungesunde gegen gesunde Lebensmittel ersetzt. Dadurch kamen die Kinder erst gar nicht auf die Idee, das Angebot der Mensa zu boykottieren.
Blick in die Zukunft
Die Augen von Alina Meyer sehen das, was noch kein anderer zu sehen vermag. Es ist der Blick einer Visionärin. Gedanklich werden Kräuter gepflanzt, Sträucher gekürzt und ein komplettes Außengelände aus dem Boden gestampft. Es wird nicht bei einer Vision bleiben. Auch vor dem Bau der Mensa hatte die Lehrerin konkrete Vorstellungen: „Das hier gab es alles gar nicht. Es waren einmal Klassenräume. Ich wusste genau, wie es aussehen sollte und jetzt steht es da.“ Ihre Worte werden von einem zufriedenen und etwas stolzen Gesichtsausdruck begleitet. In Anbetracht des neuen Projekts atmet Alina Meyer einmal tief durch- somit steht dem Vorhaben nichts mehr im Weg.